Dienstag, 6. August 2013

Das Ferien-Dilemma

Lehrer haben zu viele Ferien...

Ich habe genug davon, mich ständig gegen diesen allgegenwärtigen Vorwurf an Lehrer zu rechtfertigen. Hier schreibe ich deshalb keine Abhandlung darüber, weshalb unser Berufsstand diese Ferien verdient oder nicht. Dieser Post soll davon handeln, dass der Umgang mit viel Ferien gelernt sein muss.

Seit Mitte Mai hatte sich eine gewisse Vorfreude auf die sogenannte "unterrichtsfreie Zeit" in mir breit. Dann endlich sollte ich genügend Zeit haben, um wieder einmal richtig viel und sorgfältig vorzubereiten. Denn nur so, stellte ich mir vor, würde ich wieder sicher sein, mit meinem Unterricht auch tatsächlich dem Lehrplan zu folgen.

Der letzte Schultag war dann auch ein Tag der Erleichterung - nicht zuletzt waren wir stolz darauf unser erstes Schuljahr als Lehrpersonen (dem Anschein nach) erfolgreich gemeistert zu haben. Gemeinsam mit der Klasse liessen wir den Tag beim Grillieren über Mittag ausklingen und gingen dann voller freudiger Gedanken an die kommende Freizeit nach Hause.

Bereits am nächsten Tag begegnete ich dann zum ersten Mal dem, was ich Ferien-Dilemma nenne: Gefühlsmässig hatte ich ja Ferien und das bedeutet gemeinhin, mit seiner Zeit umzugehen, wie mans gerne möchte. Auf der anderen Seite standen aber all die Vorsätze und das Bewusstsein, dass durchaus von mir verlangt wird, auch in den Ferien eine gewisse Zeit in den Schulunterricht zu investieren. Wenn ich also dem Nichtstun frönte, dann war und ist da stets diese Stimme, die mich auffordert, endlich meinen Pflichten nachzukommen. Wenn ich mich dann aufraffe und arbeite, fehlt allerdings der Durchhaltewille, weil meine Grundeinstellung eher Richtung Ferien tendiert.

Offensichtlich brauche ich eine funktionierende Strategie für die Planung der unterrichtsfreien Zeit. Für den Arbeitsteil hat sich gezeigt, dass es schon viel hilft, wenn ich meine Pflichten an der Schule selbst und nicht zuhause erledige. Um Ferien richtig zu geniessen lohnt es sich ebenfalls auszufliegen und zwar ohne Laptop oder sonstige Arbeitsunterlagen, das hat zumindest letzte Woche beim Zelten in der nahen Umgebung sehr gut funktioniert.

Mehr über solche Strategien müsste in Unterlagen zur Burnout-Prävention zu finden sein. Ich bin allerdings überzeugt, auch durch bewusstes Ausprobieren den optimalen Ausgleich zu finden.

Für die Rechtfertigung meiner Ferien muss ich noch konsequenter als bisher meine Arbeitszeit aufzeichnen. Denn es nagt an meinem Stolz, wenn ich selber nicht sicher bin ,ob andere Recht haben, wenn sie meinen ich würde zu wenig arbeiten. Schliesslich halte ich mich für einen fleissigen Menschen der das Arbeiten genauso liebt wie die Freizeit, was mir auch von meinen bisherigen Arbeitszeugnissen bestätigt wird.

Montag, 1. Juli 2013

Behaviorismus

Wissens-Ecke:

Behaviorismus ist eine psychologische Richtung, die sich mit der wissenschaftlich-empirischen Erfassbarkeit und Voraussage von tierischem und menschlichem Verhalten befasst.

Basierend auf der Verhaltensforschung von Pawlow entwickelte Skinner in "Wissenschaft und menschliches Verhalten" das Modell des operanten Lernens:
Ein Stimulus aus der Umwelt führt zu einer Response bei einem Individuum. Diese Response kann durch einen für das Individuum postitiven Stimulus, in diesem Zusammenhang Reinforcement genannt, verstärkt werde. Das heisst das Individuum wird beim selben Stimulus mit grössere Wahrscheinlichkeit dieselbe Response zeigen.

Da es kaum möglich ist, dass sich eine gesamte Gesellschaft so strukturiert, dass alle Stimuli kontrolliert das Verhalten der Individuen in eine bestimmte Richtung lenken, versuchte Skinner innerhalb vom Mikrosystem Schule Ansätze zu modellieren, wie das Verhalten der Lernende zu optimieren (im Sinne einer Steigerung der Lernleistung und des Nutzens für die Gesellschaft bei Erhalt der Freude des Individuums) sei.
Offenbar gehört das didaktische Konzept des programmierten Unterrichts hierzu: Dabei geht es um eine Form des selbständigen Lernens, bei der Lernende ihre Antworten niederschreiben und eine sofortige Rückmeldung erhalten - bei einer korrekten Antwort werden sie positiv verstärkt und gehen über zu einem neuen Lernziel. Bei falschen Antworten erhalten die Lernenden die Gelegenheit das Lernziel erneut zu bearbeiten. Erst bei erfolgreichem bestehen der überprüfung kommt das nächste Lernziel hinzu. Lernziele sind hier als sehr kleine Lernschritte zu verstehen. Viele E-Learning-Programme basieren auf diesem Konzept.

Ähnlich gelagert sind didaktische Konzepte, die von extrinsischer und intrinsischer Motivation sprechen: Sie gehen davon aus, dass der Stimulus "Motivation" zur Response "Lernen" führt.

Samstag, 29. Juni 2013

Datenschutz

Eine der Standesregeln des Dachverbandes Schweizer Lehrerinnen und Lehrer lautet "Die Lehrperson behandelt sensible Informationen über Lernende vertraulich". Ganz explizit erwähnt wird in der dazugehörigen Erklärung der Datenschutz. Aus einem Gespräch mit einer Kollegin, die in der Pflege arbeitet, habe ich kürzlich erfahren, dass es grundsätzlich erlaubt sei über Vorfälle bei der Arbeit zu sprechen, sofern dabei keine Namen erwähnt werden.

Problematisch wird es aber dann, wenn der Gegenüber aufgrund der Erzählungen Rückschlüsse auf die betroffenen Schülerinnen und Schüler ziehen kann. So bin ich mir momentan unsicher, wie ich mit meinem Freund, welcher im Klassenlager dabei war und daher alle Schüler und Schülerinnen kennt, über Ereignisse in der Klasse sprechen darf, ohne dabei den Datenschutz zu verletzen.

Die erwähnte Kollegin meinte auch, dass Gespräche mit dem Lebensgefährten grundsätzlich unproblematisch seien. Leider finden sich hierzu auf keinem der Merkblätter zum Thema Datenschutz genauere Angaben.

Die Merkblätter kümmern sich allgemein mehr um schriftliche und insbesonders elektronisch abgespeicherte Daten. Als Grundsatz gilt hier, dass die Lehrperson dem Amtsgeheimnis untersteht und dadurch nur bei einer Gefährdung der Gesundheit die Erziehungsberechtigten eines Lernenden informieren muss, falls er vertrauliche Informationen vom Lernenden erhält. Das hilft mir insofern, dass ich nun mit meinen Lernenden offener über heikle Themen, wie zum Beispiel das Rauchen, sprechen kann.

Leider ist aber das Gespräch mit Mitmenschen aus meinem Umfeld eine der häufigsten Situationen, denen ich bezüglich Datenschutz begegne, weshalb ich eigentlich gerne wüsste, wie sich hier die Rechtslage verhält.

Ein weiteres Problem stellt dieser Blog selbst dar. Er dient zwar hauptsächlich dazu, meine Gedanken zu strukturieren und mit Theorieinhalten zu verknüpfen, aber da er öffentlich im Internet zugänglich ist musste ich vor kurzem dafür sorgen, dass mein Name nicht mit dem Blog verbunden werden kann, denn mein Name lässt für Menschen in meinem näheren Umfeld sofort auch Rückschlüsse auf die der Schülerinnen und Schüler zu.

Lehrplan 21 ist da!

Der Lehrplan 21 war bereits zu Beginn meines Studiums unter Dozenten ein grosses Thema - wir Studierende verstanden nur Bahnhof, hatten wir uns doch noch nicht mal richtig in den jetzigen Lehrplan und seine Bedeutung für unsere zukünftige Tätigkeit vertieft.

Seit einer knappen Woche ist er nun raus, der Lehrplan, der dereinst als Grundlage für die ganze Deutschschweiz gelten soll. Ob und wie dies geschieht soll nun von Kantonen - will heissen der Politik - diskutiert werden. Da die polarisierenden Parteien sich momentan stark auf die Bildung eingeschossen haben (das lässt sich anhand der der vielen Medienbeiträge seit meinem Studienbeginn gut nachverfolgen), erwarte ich einen eher langen Prozess mit vielen enttäuschenden Kompromissen.

Mir gefällt nämlich das, was ich da vorgefunden habe. Was wohl vor allem daran liegt, dass ich die verschiedenen didaktisch Forderungen, die wir an der PH eingetrichtert bekamen, hier wiederfinde. Kompetenzorientierung lautet das Schlagwort. Faktenwissen rückt in den Hintergrund und Anwenden-Können in den Vordergrund.

Daran stösst aber das System an, denn hier werden klare Lernziele gefordert, die überprüfbar und damit bewertbar sind. So lautet zumindest die Grundaussage der kritischen Stimmen in der Aargauer Zeitung. Weiterer Kritikpunkt ist die Frage, ob der Lehrplan nun überladen ist oder zu wenig hoch greift. So stellt sich der Präsident des alv in der Neuen Zürcher Zeitung die Frage, was denn mit jenen Lernenden geschehe, die die im Lehrplan markierten Mindestanforderungen nicht erreichen. Diese Frage halte ich für sehr berechtigt - es wäre eigentlich schön, wenn der Lehrplan so gestaltet wäre, dass man die Lehrpersonen verpflichten kann die Mindestanforderungen mit allen und wirklich allen Schülern zu erreichen; nur handelt es sich hier um einen Graubereich, sobald wir über Kinder mit einer Lernschwäche oder Behinderungen sprechen

Für mich erscheinen aber vor allem die kompetenzorientierten Lernziele im Fach Deutsch als Segen. Endlich spricht ein Lehrplan klar aus, was die Gesellschaft von einem Schüler am Ende der Oberstufe für Fähigkeiten verlangt: Fehlerfreies Schreiben von komplexen Texten gehört beispielsweise nicht mehr dazu, genau so wenig wie hochentwickelte linguistische Terminologie in der Grammatik. Die neuen Minimalanforderunen sind meines Erachtens auch mit Realschülern erreichbar und nicht nur das, endlich erklärt der Lehrplan auch, wie die Deutschkompetenz über die gesamte Schulzeit aufgebaut wird. So liegt es nicht mehr an mir mithilfe von Experimenten in die Nähe von utopisch anmutenden Lernergebnissen zu rücken - oder eben nicht.

Mittwoch, 26. Juni 2013

Dicke Post

Heute warteten zuhause zwei grosse Päckchen voll mit Lehrmaterialien. Besonderes Augenmerk habe ich dem Fördermaterial Deutsch (Grammatik und Schreiben) gewidmet:

Im Vorwort wird zusammengefasst, was Schüler mit Lernschwäche brauche: Abgestuftes Material, Lebensnähe und Anwendbarkeit im Alltag. Besonders die sehr feine Differenzierung von jeweils drei gleichen Arbeitsblättern hat mich beeindruckt. Oft handelt es sich nur um wenige Worte, die hinzugefügt oder weggelassen wurden.

Hierzu wäre es angebracht, mal wieder die unliebsamen Unterlagen aus den Heil- und Sonderpädagogik-Vorlesungen auszugraben. Jedenfalls bin ich gerade sehr motiviert nächstes Jahr enger mit unserem Heilpädagogen zusammenzuarbeiten und bereits bei den Planungen Rücksicht auf die integrierten Schülerinnen und Schüler zu nehmen.

Die Unterlagen sind enttäuschend stark darauf fokussiert, wie Integration an Schulen auf gesellschaftlicher Ebene überhaupt zu erreichen sei. Es finden sich leider nur wenige Hinweise zur didaktischen Umsetzung im Unterricht.

Ein wichtiger Hinweis findet sich einzig in einem Zeitschriftenauszug aus "Bildung Schweiz": Individualisieren, Differenzieren und integrieren ist nicht gleichbedeutend. Integrieren sei nämlich zuallererst eine soziale Aufgabe, weshalb wohl auch in verschiedenen anderen Unterlagen auf die Wichtigkeit von Zusammenarbeit mit allen Beteiligten hingewiesen wird.

Obwohl ich behaupte, dass die lernzielbefreiten Schüler in meiner Klasse gut ins Sozialgefüge der Klasse integriert sind, weiss ich nicht, ob die Klasse überhaupt versteht, was die Lernzielbefreiung im einzelnen bedeutet. Vielleicht wäre ein geeignetes Gefäss angebracht, in dem die unterschiedlichen Hintergründe der Schüler und Schülerinnen thematisiert werden.

Entschuldigt

Die Entschuldigung ist erfolgt, ein weiterführendes Gespräch hat sich leider nicht ergeben.

Dennoch erfuhr ich etwas interessantes: Tatsächlich fühlte sich der Schüler nicht durch meine Aussage per se beleidigt, sondern vor allem, weil er ja nicht der ursprüngliche Sprücheklopfer gewesen sei. "Ansonsten wäre es ein Konter gewesen", meinte er.

Rüedi erwähnt meines Wissens ebenfalls, dass eine Schwierigkeit bei Disziplinarmassnahmen sei, den Tatsächlichen übeltäter zu erwischen - die Textstelle sei noch aufzutreiben - ansonsten erfolgt nämlich ein Bruch in der Lehrer-Schüler-Beziehung.

Ein Teilaspekt meiner Unsicherheit gegenüber den älteren Schülern könnte auch darin liegen, dass ich diese hauptsächlich als Gruppe wahrnehme und nicht als Einzelpersonen.

Das fängt schon damit an, dass ich ihre Namen nicht kenne. Den Namen des betroffenen Schülers musste ich heute nämlich erst einmal über seine Lehrperson in Erfahrung bringen.
Einfacher Vorsatz fürs nächste Jahr: Möglichst alle Namen der Oberstüfler an meiner Schule in Erfahrung bringen.

Dienstag, 25. Juni 2013

Falsch reagiert

Lange nach Ende des Schultages auf dem Schulhof. Ein paar Kids aus der 4. Oberstufe sitzen da und rauchen. Ich verabschiede mich mit den Worten:
"Schöner Abend und viel Spass beim Lunge kaputt machen"
Darauf die Schüler: "Nur weil wir Ausländer sind"
"Ja klar, nur weil ihr Ausländer seid"
"Sie ich bin Schweizer!"
Und dann endgültig der Fehler: "Papierlischweizer?"
Der Junge schaut mich an und findet beleidigt: "Nein ich bin echter Schweizer"
Ich bemerke den Fehler, weiss aber nichts mehr zu sagen und wende mich verlegen ab. Er ruft hinterher: "Sie das war nicht lustig".

Die Episode gibt mr aus vielen Gründen zu denken: Erstens wird mir hier wieder einmal bewusst, wie wenig schlagfertig ich mit den älteren Schülern umgehen kann und wie unzufrieden ich damit bin.

Zweitens muss ich mir nun überlegen, wie ich mich entschuldige und die Situation kläre - ich hoffe auf ein Gespräch. Hierbei möchte ich mich vor allem entschuldigen, aber wenn es irgendwie möglich erscheint auch ein Gespräch aufbauen, bei dem ich mehr über meine Wirkung auf den Schüler erfahre, er aber auch versteht, dass der implizierte Vorwurf ich habe Vorurteile gegen Ausländer mich provoziert hat und ich versucht habe dieser Provokation mit Ironie zu begegnen, die unglücklich gewählt und daher missverständlich war.

Tatsächlich ist es in der Entwicklungspsychologie ein Thema inwieweit Jugendliche Ironie verstehen und damit auch umgehen können.
Die Theorie des Kognitivismus von Piaget beschreibt entwicklungsabhängige Abfolgen von sogenannten Denkoperationen, die er auch empirisch nachweisen konnte. Vor dem Alter von ca. 10 Jahren können Kinder beispielsweise nur konkret-operatorische Denkleistungen vollbringen, das heisst, sie brauchen ein ganz konkretes Beispiel, das sie sich vorstellen können. Ältere Kinder können auch formal-operatorische Denkleistungen einstzen, das bedeutet, sie können losgelöst von konkreten Vorstellungen aus ihrer realen Lebenswelt logische Aufgaben lösen.
In Flammer/Alsaker wir leider nicht auf die Ironie hingewiesen, aber irgendwo ist das mal vorgekommen - vielleicht nur mündlich oder auch in einem Buch aus dem Fach Deutsch.

Für die allgemeine Lösung meines Problems ist es aber vor allem wichtig, dass ich mehr Selbstsicherheit im Umgang mit älteren Schülern entwickle.

Die Hinweise von Rüedi (2007:139-141) zeigen zumindest, dass meine Strategie auf Grundlagen steht: die Entschuldigung und das Gespräch unter vier Augen werden hier als entspannende Möglichkeiten genannt. Rüedi erwähnt auch, wie wichtig die Lehrer-Schüler-Beziehung für die Disziplin im Unterricht ist.

Mal sehen was drin liegt.

Der Erzieher als Gärtner

Heute schenkte das Lehrerteam einem Kollegen, der in die Pension geht einen jungen Apfelbaum. Er nahm es entgegen mit den Worten: "Das Pflegen eines Baumes ist auch etwa so wie wenn man Schüler erzieht".

Dabei handelt es sich um eine alte Metapher für Erziehung: Der Lehrer bringt den Wilwuchs in eine von ihm gewünschte Form. Mit seinem Wissen begiesst er den Schüler und lässt ihn so zu voller Blüte aufkeimen.

Woher stammt dieses Bild ursprünglich? Mit welchen pädagogischen Theorien hängt sie zusammen?